6 Monate Home-Office mit Kind

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Das Fazit zuerst: Home-Office ist keine Kinderbetreuung! Das wusste ich aber schon vor Corona. Ich persönlich bin auch der Meinung, man muss zwischen dem schönen Klischee der am Laptop arbeitenden Mama mit selig spielendem Kind daneben und einer Ausnahmesituation durch ein Virus unterscheiden. Ich hatte bisher beides über einen längeren Zeitraum (6 Monate und länger). Beim ersten Mal hatte ich die romantische Vorstellung, dass ich die perfekte Vereinbarkeit hinbekommen würde – komme was wolle. Tatsächlich wollte ich (gleichzeitig!) Karrierefrau und immer anwesende, liebevolle Mutter sein. Eine Krippenbetreuung kam für mich nicht in Frage, nicht wieder zurück in den Job zu gehen aber auch nicht. Darüber muss ich gerade selbst ein bisschen lachen: ich bin mit meiner Utopie natürlich grandios gescheitert. Beim zweiten Mal, als die Kindergärten dann wegen Corona schlossen, wusste ich schon: Oh, das wird nicht easy. Vielleicht war es also auch ein Vorteil, dass ich eigentlich schon eine lange und nervenaufreibende Proberunde Home-Office mit Kind hinter mich gebracht hatte und eine ungefähre Vorstellung davon hatte, was mich erwarten würde. Daher versuchte ich erst gar nicht den Schein zu wahren und sagte die neuesten Aufträge von Kunden ab, reduzierte meine Stundenzahl (auf „schauen wir mal was die Woche so bringt“) und ließ mich nicht ein einziges Mal überreden mit Kind im Haus an einer Video- oder Telefonkonferenz teilzunehmen. Was nicht geht, geht nicht. Da war ich bei Versuch Nummer 2 ganz pragmatisch. Mein Mann (Teilzeit-Vater) übrigens auch. 

Eltern während der Corona-Krise Zur Improvisation gezwungen - Erschienen im Juli 2020 © Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden
Eltern während der Corona-Krise Zur Improvisation gezwungen – Erschienen im Juli 2020 © Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden –> hier geht’s zur vollständigen Broschüre inkl. Statistiken <–

Das Corona-Chaos ging ich also halbwegs entspannt an. Denn diesmal war ich nicht der einzige Mensch, der seinen Makel (natürlich ist es keiner!!!) durch ein zusätzliches Familienleben wieder wett machen musste. Nun hatte jede*r irgendwie Probleme und kämpfte mit Herausforderungen, die sie oder er noch nicht einschätzen konnte. Keine Kinderbetreuung, Kurzarbeit, Existenzängste, digitales Arbeiten, weniger oder kaum Gehalt. Mir half auch ein Posting, das ich so nebenbei auf LinkedIn in meinem Feed entdeckte über die Krisen der Generationen vor uns. Über Kriege, Hungersnöte, Armut, Pandemien mit weit mehr Toten. Kurzum: Unmenschliche Zustände unter denen Familien und ihre Kinder in den letzten Jahrhunderten zusammenlebten. Wir saßen ja „nur“ Zuhause mit vollen Kühlschränken (ja, gut, und wenig Klopapier) und mussten ein paar Monate versuchen im goldenen Käfig Kinderbetreuung und Arbeit „unter einen Hut zu kriegen“. Lächerlich. Im Vergleich. Das machte es mir wirklich leichter, insgesamt ein positives Mindset beizubehalten und mich klar gegen die perfekte inszenierte Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu positionieren. Deshalb habe ich mich auch nie allzu laut zum Thema Betreuung/Familie während Corona geäußert. Weil ich ohnehin der Meinung bin, dass die Politik nicht alles regeln kann. Stattdessen haben wir versucht, „es“ einfach hinzubekommen. Die Zeit zu überstehen und (vielleicht) danach in die Welt hinauszuschreien, dass Arbeiten mit Kindern Zuhause alles andere als romantisch und harmonisch, sondern einfach nur stressig ist – und nebenbei keinem gerecht wird. Nicht Mama und Papa, nicht dem Arbeitgeber und schon gar nicht den Kindern! So viel zum Thema „Ausnahmesituation“: abgehakt. 

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Zur Begrenzung der weiteren Ausbreitung der Corona-Epidemie wurden Maßnahmen beschlossen, die weitreichende Einschränkungen für das Leben der Bevölkerung bedeuten. Familien sind von diesen Maßnahmen in den Monaten seit März 2020 in doppeltem Maße betroffen: Zum einen wurden Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege und Schulen geschlossen und später oft nur partiell wieder geöffnet. Dadurch mussten sich viele Eltern vollständig selbst um die Betreuung und Beschulung der Kinder und Jugendlichen kümmern. Quelle: bib.bund.de

Was mich allerdings unglaublich geärgert hat, waren die vielen Vorgesetzten, die so taten, als sei Kinder Zuhause haben Pillepalle. Als sei das keine Arbeit, weil Kinder ja so nebenbei mitlaufen. Um fair zu bleiben: Ich habe ja auch mal gedacht, das locker hinzubekommen. Aber niemand, der das nicht mehrere Monate am Stück ausprobiert hat, weiß, wie unglaublich hart diese Doppelbelastung ist. Auch mal außerhalb der Geschäftszeiten was wegschaffen zu können, während die Kinder zuhause sind: große Erleichterung! Dauerhaft Kinder zu betreuen, zu bekochen und den Haushalt zu erledigen, während man irgendwie versuchen muss auch dem Arbeitgebenden gerecht zu werden: Unmöglich! Es gibt einen Grund, warum Kindergärter*innen und Lehrer*innen ein Gehalt bekommen. Warum Putzleute Geld fürs Putzen kriegen. Oder Wäschereien fürs Wäschemachen. Warum kostet es was, wenn wir im Restaurant Essen bestellen? Weil das für sich genommen schon tagfüllende Arbeit ist. Dasselbe gilt natürlich für die unzähligen Hausfrauen und Mütter, die dauerhaft Zuhause bei ihren Kindern bleiben. Auch das ist Arbeit – und nur deshalb unbezahlt, weil eine Familie eben kein umsatzorientiertes Unternehmen ist, sondern mehr eine gemeinnützige Organisation. All diese Dinge kosten Zeit und vollen Einsatz. Sonst wäre doch niemand auf die Idee gekommen, flächendeckend Kindergärten und Schulen aufzumachen, wenn man Kinder einfach sich selbst überlassen könnte. Sie bringen sich nicht von selbst Lesen, Schreiben und Rechnen bei, wenn man sie nur lange genug ignoriert. Job und Kinder muss man dauerhaft trennen (dürfen). Zumindest wenn man vor hat, mehr als 10 Stunden die Woche fokussiert zu arbeiten. Teilzeit oder Vollzeit bedeuten ja mindestens 4 bis 8 Stunden konzentrierter Arbeit pro Tag. Also wer hier davon ausgeht, dass Kinder bei diesem Arbeitspensum einfach so nebenher laufen, denkt definitiv falsch. Was nicht heißt, dass flexible und ortsunabhängige Arbeitsmodelle einem nicht bei der Vereinbarkeit helfen. Es bedeutet nur, niemand kann zwei Jobs auf einmal machen, deshalb sollte die Betreuung immer anderweitig geregelt sein. Denn selbst, wenn es doch klappt, sind die Energiereserven irgendwann aufgebraucht. So war es bei mir beim ersten Mal Home-Office mit Kind. Denn ständig zwischen den Bedürfnissen seines Kindes und denen der Kunden/Kolleg*innen/Vorgesetzten zu switchen, kostet mehr Kraft als man dauerhaft aufbringen kann.

 Eltern-waehrend-der-Corona-Krise - Zeit für Familienarbeit im April 2020 (durchschnittliche Stunden an einem normalen Werktag) -
Insgesamt zeigt sich, dass die Befragten zu beiden Erhebungszeitpunkten deutlich weniger Zeit für Familienarbeit als für Erwerbsarbeit aufwandten. Im Mittel gaben vor der Corona-Krise Männer 1,9 Stunden tägliche Familienarbeit an, während Frauen mit 3,2 Stunden deutlich mehr Zeit angaben. Während der Corona-Zeit zeigt sich bei Frauen nur ein leichter Anstieg auf 3,4 Stunden; bei Männern fällt der Anstieg etwas stärker aus; sie verbrachten während der Krise durchschnittlich 2,5 Stunden mit Familienarbeit. Quelle: S. 38, bib.bund.de

Absolut unverständlich waren für mich auch Aussagen von Arbeitgebern wie „Keine Kinderbetreuung? Haben Sie nicht eine Frau Zuhause?“ und die vielen Statistiken, die angeblich zeigten, dass wir armen Frauen in Wirklichkeit immer noch in den 50ern feststecken – haben wir nur nicht gemerkt, wir kleinen Dummchen. Corona hat uns zurück auf unsere Plätze verwiesen. Das Virus hat uns auch dabei geholfen zu verstehen, dass wir bisher eigentlich nur Alibi-Arbeit leisten, aber niemals mit dem (Familienernährer-)Gehalt eines Mannes mithalten könnten. Die Arbeit von uns Frauen und speziell Müttern ist offenbar auf so vielen Ebenen wertlos, dass ich sie hier gar nicht aufzählen möchte. BULLSHIT! Zum Glück wurden viele dieser Studien teilweise widerlegt. Kommt halt immer darauf an, wen man fragt. Traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gemacht hast. Uns hat jedenfalls niemand gefragt wie der Coronaalltag bei uns zwischen Kinderbetreuung, Arbeit und Haushalt aussieht – und vielleicht hätten wir aus Zeitmangel auch gar nicht darauf reagiert. Denn, ja, Corona hat uns als Eltern beim Thema Gleichberechtigung auf ein neues Level gebracht. (Wir hatten uns da vorher eh schon einiges erkämpft) Eins, in dem wir beide völlig gleichberechtigt am Durchdrehen waren, weil es unmöglich ist, gleichzeitig gute Arbeit zu leisten und ein Kind (oder natürlich auch gleich mehrere) zu bändigen. Auch wenn man sich für eine Dreijährige Stundenpläne an die Wand hängt. Kinder haben ihren eigenen Kopf und Arbeitgeber und Kunden übrigens auch. Da bringen feste Zeiten einen feuchten Furz und oft genug passiert es dann eben doch, dass plötzlich alles gleichzeitig zusammenkommt. 

Die letzten 6 Monate Home-Office mit Kind waren für uns sowohl hart als auch heilsam. Hart, weil Kinder andere Kinder brauchen. Weil sie Aufmerksamkeit verdient haben und einen Alltag, der sich an ihren Bedürfnissen orientiert. Nicht an Mamas und Papas wöchentlichen Arbeitsstunden oder Projekten, die eben dringend erledigt werden müssen. Auch wir Eltern haben streng genommen Fokus-Zeit für den Job und Me-Time verdient. Der Mensch ist nunmal nicht für dauerhaftes Multitasking und Überbelastung gemacht. Heilsam, weil mein Mann und ich gemeinsam die Arbeitszeit auf ein Minimum (10-20h pro Woche) reduziert haben und die Care Arbeit und den Mental Load gemeinsam bewältigt haben. Das hat uns als Familie zusammengeschweißt. Das ist unsere Corona-Bilanz. Unser Alltag sah aber ganz oft auch so aus, dass wir unser Kind stundenlang vor dem Fernseher parkten und die Stimmung angespannt war, weil wir nichts in Ruhe erledigen konnten oder sie uns ständig auf den Tasten herumdrückte, während wir unter Hochdruck versuchten wenigstens ein To-Do fertig zu bekommen.

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Laut einer Forsa-Umfrage gaben fast alle befragten Eltern (95 %) an, dass ihr Kind zwischen sechs und achtzehn Jahren z. B. PC, Smartphone und TV während der Corona-Krise stärker nutzt als bisher. Laut der internationalen World-Vision-Studie30 steht in Deutschland in der Mediennutzung das Handy (34 %) an Nummer 1, gefolgt von Tablet (30 %) und YouTube (27 %), das Fernsehen wird hier nur von 19 % der Kinder genutzt. Quelle: S. 38, bib.bund.de

Empfehlung: Home-Office mit Kind kann in Ausnahmesituationen funktionieren und partiell sogar den Spagat aus Familie und Beruf erleichtern. Es ist aber grundsätzlich KEIN gutes Vereinbarkeitsmodell! Eher im Gegenteil: Wer sich diesen Stress wirklich antun möchte (muss), dem sollte klar sein, dass er langfristig möglicherweise nicht nur den Kindern und der Karriere schadet, sondern ganz besonders der eigenen geistigen und körperlichen Gesundheit! Stichwort „Burnout“. Na, darauf trinke ich jetzt einen Lavendeltee und werfe mir noch ein paar Blutdrucksenker ein. In 4 Tagen beginnt wieder der Kindergarten … Halleluja!

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happyworkingmom

Hey, ich bin Jana und Mama von zwei wundervollen Kindern. Als "Happy Working Mom" bin ich immer auf der Suche nach kreativen Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren. Ich habe außerdem die Marketing Agentur berger.media und den Onlineshop MIJA - Happy Things.

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